Komm sprich mit mir?

Als Teenager soll ich angeblich schwierig gewesen sein. Viel gesprochen habe ich nicht, freiwillig erzählt schon gar nicht, und doch war mir Kummer deutlich anzumerken. Signalisierte ich auf diese Weise Redebedarf, sagte meine Mutter: „Hast du schon einmal Zitronenpuffer gebacken?“ Hatte ich schon oft, es war der Lieblingskuchen der gesamten Familie.

Natürlich war meine einsilbige Antwort: „Ja.“ „Dann kannst du mir ja helfen!“ Damit kommandierte mich meine Mutter in die Küche und gab mir etwas zu tun. Mehl abwiegen, Eier holen, Zitronenschale abreiben, Zitrone auspressen.

Während die Hände beschäftigt waren, fing meine Mutter an zu reden. Sie fragte nicht, sie redete über dies und das und schwieg dazwischen lange genug, damit ich beginnen konnte zu reden. Oder auch zu fragen. Oder zu weinen. Oder zu wüten und zu schreien. Dem Teig hat es nichts ausgemacht. Der konnte alles ab, sog alles in sich auf. War er fertig, merkte man ihm nichts mehr davon an. Ich war erleichtert, befreit, ausgesprochen und der Kuchen fertig. Und lecker!

Später, ich war schon ausgezogen und nur noch sporadisch zu Hause, bekam ich mit, wie meine Mutter zu meiner nunmehr pubertierenden Schwester sagte: Hast Du schon mal Zitronenpuffer gebacken? „Nein.“, war ihre Antwort. „Dann lernst du es jetzt!“, lautete die Anweisung meiner Mutter und sie verschwanden in der Küche.

Mein Sohn pubertiert noch nicht, aber Zitronenpuffer backen und dabei reden und erzählen, lachen und weinen, das tun wir jetzt schon. Es hilft, und zwar alles davon.

Rezept

  • 4 Eier
  • 300 g Zucker
  • 250 g Margarine
  • 300 g Mehl
  • ein halbes Tütchen Backpulver
  • Saft und Schale einer Zitrone

Alles miteinander vermischen und bei 175 Grad im Ofern ca. 60 Minuten backen.

Das hält! Krankenhausseelsorge. Von Nächstenliebe in außerordentlichen Situationen.
Kiel: Lutherische Verlagsgesellschaft 2018.