Nur eine nehmen – das geht nicht. Sie sehen einfach zu lecker aus. Mein Sohn hat mit beiden Händen in die Erdbeerschale gegriffen und sortiert sie nun: kleine und große Erdbeeren am Rand seines Tellers entlang wie Perlen an einem Band. Es erinnert mich an meine Sommerferien.
Die Großeltern wohnten nebenan. Der Opa fuhr jeden morgen los: Brötchen holen für die Kurgäste. Für uns brachte er auch welche mit. Meine Mutter beschmierte mir beide Brötchenhälften mit Butter und Erdbeermarmelade, von Oma gekocht. Die erste Erdbeermarmelade, die es gab. Ich bekam diesen Teller voller Liebe morgens ans Bett gestellt. Wenn ich aufwachte, durfte ich im Bett frühstücken und in meinem Buch schmökern, bevor es hieß: „Aufstehen, die Sonne scheint. Raus mit dir!“„Gleich kochen wir zwei Marmelade“, sage ich.
Mein Sohn nickt, schiebt sich eine Erdbeere in den Mund, lacht, bekommt den Mund kaum zu, weil sie so groß ist. Er sagt, und die Erdbeerstückchen fliegen dabei: „Aber die nicht!“
Jahresklänge 2015 - der spirituelle Wochenkalender
J. F. Steinkopf-Verlag